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Simon
Beckett. Ein Name wie ein Programm. Spannungsgeladen ging es in der
David-Hunter-Reihe zu, die den britischen Autor bekannt machte.
Schaurig schön. Und zweifellos interessant. „Die Chemie des Todes“, „Kalte Asche“, „Leichenblässe“ und „Verwesung“
führten ein in die Wissenschaft der forensischen Anthropologie.
Hunters Arbeit begann dort, wo die Maden ihr Werk bereits vollendet
hatten. Ihm oblag es, anhand verfaulter, verbrannter, zersetzter
Überreste Identität und Todesart von Opfern festzustellen und so
maßgeblich zur Aufklärung vermeintlich perfekter Verbrechen
beizutragen. Der Leser, dessen Eingeweide sich bei der Lektüre
dieser Thriller nicht selbstständig machten, folgte dem gruseligen
Geschehen nahezu atemlos. Leider wiederholte sich Hunters spezielles
Können spätestens in dem Band „Verwesung“, und voyeuristische
Darstellungen blutrünstiger Episoden versuchten die Schwächen zu
überdecken. Das mörderisch entfesselte Schlusstableau deutete an:
Simon Beckett, ohne Frage ein Meister seines Genres, hatte seine
Thematik ausgereizt. Eine Pause tat Not.
Und
die hat er genutzt. Das belegt sein neuer Kriminalroman „Der Hof“.
Der Inhalt ist eigentlich banal: Ein Ich-Erzähler, der andeutet,
einiges auf dem Kerbholz zu haben, bittet auf einem verfallenen Hof
mitten in der französischen Provinz um ein Glas Wasser. Zurück auf
der Landstraße, hechtet er beim Anblick eines herannahenden
Polizeiautos in ein Waldstück – und landet in einer Wildfalle, die
ihm den Fuß zerfetzt. Aus der Ohnmacht erwacht, findet er sich auf
einem Scheunenboden wieder – auf eben jenem Hof. Personal und Topoi
sind sparsam eingesetzt: Die schöne traurige Mathilde. Ihr
aufreizendes unberechenbares Schwesterlein. Der kleine Sohn Michel.
Der tyrannische Altbauer Arnaud. Eine gewaltbereite Dorfjugend. Ein
verschwundener Liebhaber. Geheimnisvolle Statuen. Ein tiefgründiger
See. Rauschende Kastanienwälder. Alles fressende Schweine.
und kühl gibt Sean, der Erzähler, seine Erinnerungen wieder.
Dennoch teilen sich seine Erlebnisse auf dem geheimnisvollen Hof wie
Fieberphantasien mit, unerklärlich, entrückt und unheilschwanger.
Durchbrochen wird das Erzählen dieser undurchdringlich scheinenden
Gegenwart durch Rückblicke in die Vergangenheit. Fragmente einer
unglücklichen und tragischen Liebesgeschichte scheinen auf, die sich
wie ein Puzzle zusammenfügen, aber lange Zeit kein klar konturiertes
Bild ergeben. Diese Erzählweise hat Beckett von französischen
Filmemachern entliehen, für die sich auch Sean begeistert. Vor allem
Jean Beckers L’étémeurtrier (Ein
mörderischer Sommer) stand Pate. Mörderisch
ist auch die drückend-schwüle Jahreszeit in „Der Hof“.
Beklemmend die Lichtverhältnisse. Bedrohlich die Geräusche. Hier
herrscht ein subtiles, undefinierbares Grauen. Erst nach und nach
wird auch in Seans Gegenwart hinter ländlicher Idylle eine kaum
fassbare Realität erkennbar.
Simon
Becketts Ausflug in die Erzählweise des Films ist ein gelungenes
Experiment, das noch ausgearbeitet werden kann. Auch das braucht
seine Zeit. Gut möglich, dass Beckett zwischenzeitlich wieder David
Hunter ermitteln lässt. In einem Interview gestand er kürzlich:
„David Hunter reist ja so ziemlich überall hin, vor allem in
entlegene Gegenden, wo irgendwelche Leichen vergraben liegen. Ich
begegne Hunter eigentlich jeden Tag, auch wenn er dann nicht immer
etwas zu erzählen hat. Aber wenn ich spazieren gehe, vor allem wenn
ich in öde, atmosphärische Landschaften eintauche, dann ist es fast
sicher, dass wir uns über den Weg laufen.“
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Der Hof von Simon Beckett
Hardcover: 464 Seiten
Verlag: Rowohlt/Wunderlich
Erscheinungsdatum: 01.02.2014
ISBN: 978-3-8052-5068-9
Das wollte ich mir bald auch kaufen, habe bis jetzt nur Gutes gehört.
Ich habe es mir auch gleich zugelegt – bei Simon Beckett kann man einfach nicht auf die Taschenbuchausgabe warten. 😉
Mir sind allerdings sehr gespaltene Meinungen untergekommen – viele Leser wünschen sich anscheinend weniger Abwechslung und mehr voyeuristischen Splatter. Umso mehr freue ich mich über diese positive Einschätzung – ich bin gespannt!
Dir viele spannende Lesestunden!