Ich bin von Krinkelkroken gebeten worden, „How to Be Gay“ von dem englischen Autor James Dawson zu lesen und mit ihr gemeinsam zu rezensieren, weil ich seit einiger Zeit ehrenamtlich queerpolitisch aktiv bin. Mit meinem Engagement geht keine besondere Expertise einher, ich bin nicht besser oder schlechter dafür geeignet, ein solches Buch zu rezensieren als jeder andere Mensch, aber ich interessiere mich für das Thema und zu zweit macht das Lesen (und anschließende Diskutieren) einfach mehr Spaß. Auf den Titel aufmerksam geworden sind wir durch die Ankündigung des Fischer Verlages, wo das Sachbuch am 23. Juli diesen Jahres erschienen ist. Durch die Legalisierung der homosexuellen Ehe in den USA wird dem Thema Homosexualität in den Medien zur Zeit viel Beachtung geschenkt, sodass wir uns mit der Umsetzung dieser Thematik in Buchform – wie es sich für einen Literaturblog gehört – einmal genauer beschäftigen wollten.
Der deutsche Titel machte uns zunächst einmal etwas misstrauisch. How to Be Gay – eine Anleitung zur Homosexualität, oder wie? Und „alles über Coming-Out, Sex, Gender und Liebe“, wie es der Untertitel verspricht, ist doch sicher etwas hoch gegriffen? Tatsächlich haben sich unsere Befürchtungen nicht bewahrheitet – allerdings darf man den Titel natürlich nicht wörtlich nehmen: „How to Be Gay“ erklärt einem nicht, wie man sein muss, wenn man homosexuell ist, oder woran man homosexuelle Menschen erkennt. Das will es auch gar nicht.
In diesem Ratgeber wird davon ausgegangen, dass jeder Mensch seine ganz individuelle sexuelle Identität hat, und dass es hierin ein ganzes Spektrum gibt, von dem Homosexualität nur einen bestimmten Bereich abdeckt. James Dawson versetzt einen in die Lage, sich ohne Furcht und Vorurteile diesem Thema zu nähern und dabei selbst zu überlegen, wo man sich in diesem Spektrum einordnen könnte. Die einfühlsame, aber lockere Art der Vermittlung lässt auf die pädagogische Erfahrung des Autors schließen, dessen Stil jugendgerecht und ansprechend ist, denn er ist einerseits auch für jüngere Menschen geeignet, andererseits aber nicht verkürzend oder nervig, sodass es auch weniger jungen Menschen (wie mir) Spaß macht, das Buch zu lesen. Zudem sind so viele persönliche Statements, Erlebnisse und Anekdoten von verschiedenen Menschen eingearbeitet worden, dass beim Lesen der Eindruck aufkommt, die ganze Queercommunity hätte mitgeschrieben – wodurch man unterschiedliche Meinungen zu hören bekommt. Das ist äußerst hilfreich, weil es deutlich macht, dass man sich seine eigene Position zu diesem Thema erarbeiten kann, ohne „richtig“ oder „falsch“ zu liegen, auch wenn der Autor (zum Glück) zu einigen Dingen sehr klar Stellung bezieht, z.B. wenn es um Diskriminierung geht.
Vielleicht sollte man noch erwähnen, dass Dawson teilweise eine ziemlich plakative Ausdrucksweise an den Tag legt… immerhin geht es auch um Sex und Sexualität. Das sorgt dafür, dass „How to Be Gay“ sich nicht wie eine klinische Studie liest, sondern eher wie ein Roman aus dem echten Leben; aber es mag den ein oder anderen Menschen geben, auf den das abschreckend wirkt. Ich für meinen Teil empfinde das nicht so, sondern amüsiere mich vielmehr darüber, will es aber der Ordnung halber erwähnt haben.
Inhaltlich bietet sich dem Leser ein Potpourri aus verschiedenen Fragestellungen und Themen, die sich rund um Sexualität, Geschlechtsidentität und Liebe drehen, wie „Das Etikettenspiel“, „Coming-out“ oder „Alles über schwulen und lesbischen Sex“. Optisch wird der Inhalt vielseitig dargestellt: Zeichnungen, unterschiedliche Schriftarten, Tabellen etc. bieten spannende Abwechslung. Der Autor kommt aus England und bezieht sich entsprechend vor allem auf die Situation in Großbritannien, wodurch der Inhalt allerdings nicht seine Allgemeingültigkeit verliert. Gerade wenn man sich so gar nicht mit diesen Themen auseinandergesetzt hat, ist dieses Buch ein hervorragender Einstieg und eine echte Hilfe, sich abseits von Klischees und (positiven wie negativen) Vorurteilen auseinander zu setzen. Zudem gibt es eine (kurze!) Liste mit den wichtigsten Wörtern, die einem Probleme bereiten könnten.
Ein einziger kleiner Kritikpunkt betrifft allerdings das Cover. Wie Dawson richtig anmerkt, ist das Coming-Out eine komplizierte Angelegenheit und die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer (vermeintlichen) Homosexualität keine Seltenheit. Auch wenn man sich nicht dafür schämen oder davor fürchten sollte, ein Buch mit dem Titel „How to Be Gay“ in die Hand zu nehmen – gerade für junge oder verunsicherte Menschen mit einem konservativen Umfeld mag ein derart plakativer Titel abschreckend wirken. Gerade solchen Menschen möchte man dieses großartige Buch jedoch am meisten ans Herz legen. Bei diesem Kritikpunkt habe ich selbst kein gutes Gefühl, weil wir uns nicht im vorauseilenden Gehorsam zensieren sollten… Aber man sollte das Buch auch lesen können, ohne gleich am eigenen Leib erfahren zu müssen, wie sich Diskriminierung anfühlt, zumal es im englischen Original den Titel „This Book is Gay“ trägt, was sich durch den doppelten Wortsinn (gay = fröhlich, lustig, farbenfroh) unkomplizierter anlässt und durch den sachlichen Bezug nicht eden Menschen im Fokus hat (allerdings durch die Regenbogenfarben nicht weniger auffällig ist). Warum nicht bei einem ohnehin englischen Titel gleich beim Original bleiben? Krinkelkroken und ich kamen zu dem Schluss, dass zwei unterschiedliche Cover oder ein diskreter Buchumschlag eine Lösung für die deutsche Ausgabe sein könnten.
Fazit: Allen Lesern ab 14 Jahren, die sich für dieses Thema interessieren (nicht nur Homosexuelle/queere Menschen) sei „How to Be Gay“ ans Herz gelegt. Sowohl von Krinkelkroken als auch von mir gibt es eine ganz klare Empfehlung und ein dickes Lob. Gerne mehr davon!
„How to Be Gay. Alles über Coming-out, Sex, Gender und Liebe„ von James Dawson
2 Replies to “[Rezension] „How to Be Gay. Alles über Coming-out, Sex, Gender und Liebe“ von James Dawson”
Ich muss ehrlich gestehen, dass mich der Titel auch ein bißchen abgeschreckt hat. Nicht weil ich viele Vorurteile gegen Homosexuelle habe, sondern weil ich ja grundsätzlich nicht wissen muss, wie man als Homosexueller sein sollte. Nach eurer schönen Rezi ist dieses "Vorurteil" bezüglich des Titels ja schon mal geklärt. Danke für die tolle Buchbesprechung! Man bekommt wirklich Lust zu diesem Exemplar zu greifen, auch wenn Sachbücher nicht zu meiner Lieblingslektüre gehören.
Ja, und auch Heteros können durch dieses Buch noch so einiges für sich lernen… 😉 Und es enthält auch gute Tipps für Eltern, Schulen, Beratungsstellen etc… also eigentlich müsste es Pflichtlektüre für alle sein. 🙂
Ich muss ehrlich gestehen, dass mich der Titel auch ein bißchen abgeschreckt hat. Nicht weil ich viele Vorurteile gegen Homosexuelle habe, sondern weil ich ja grundsätzlich nicht wissen muss, wie man als Homosexueller sein sollte. Nach eurer schönen Rezi ist dieses "Vorurteil" bezüglich des Titels ja schon mal geklärt. Danke für die tolle Buchbesprechung! Man bekommt wirklich Lust zu diesem Exemplar zu greifen, auch wenn Sachbücher nicht zu meiner Lieblingslektüre gehören.
LG und ein herzliches Willkommen an Kuro!
Ja, und auch Heteros können durch dieses Buch noch so einiges für sich lernen… 😉 Und es enthält auch gute Tipps für Eltern, Schulen, Beratungsstellen etc… also eigentlich müsste es Pflichtlektüre für alle sein. 🙂
LG zurück und ein herzliches Danke! 😉