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Eine Frau verbringt mit dem langjährigen Geliebtem ein Wochenende in einem abgelegenen Chalet. Überraschend stirbt ihr Begleiter beim Schwimmen im See. Sie zieht seinen toten Körper aus dem Wasser, wäscht ihn, liebkost ihn und beginnt, Briefe an die Ehefrau ihres Geliebten zu schreiben.

Dies ist eine schräge Story. Ich bin nicht sicher, ob ich verstanden habe, was mir die Autorin damit sagen will, war aber so angetan vom Schreibstil, dass ich das Buch in einem Rutsch gelesen habe. Es ist auf seltsame Weise irre und realitätsnah. Der Tote wird gewaschen, angezogen, gestreichelt, durch die Gegend gefahren, zu einer Wunderheilerin gebracht. Das wirkt morbide und auch geschmacklos, all dies der ahnungslosen Ehefrau zu schreiben.

Natürlich lässt sich nachvollziehen, dass man den Tod des liebsten Menschen auf irgendeine Weise verarbeiten muss. Auch, dass man ihn nicht gehen lassen möchte, ihn festhalten will. Dennoch war dies der Teil der Geschichte, der mich auf Distanz gehalten hat. Die Emotionen sprangen nicht recht über.

Trauer und Emanzipation

Zu der Hauptfigur habe ich nur in wenigen Momenten eine Verbindung gespürt. Manchmal schien sie mir fast verrückt, was wohl beabsichtigt ist. Es handelt sich hier um eine höchst traumatisierte Person.

Viele Gedanken der Protagonistin sind aber vollkommen klar. Sie bringt  Erinnerungen an die Kindheit, an vergangene Partnerschaften und die Zeit mit dem Geliebten zu Papier.

Dabei entsteht das Bild einer Frau, die sich lange dem Leben ihrer jeweiligen Partner angepasst und erst in der Verbindung zu dem Verstorbenen so etwas wie eine Seelenverwandtschaft, Emanzipation und Erfüllung gefunden hat. Trotz oder wegen der immer nur kurzen Zweisamkeit, die eine Affäre mit sich bringt? Wir erfahren es nicht. Die Hauptfigur weiß es selbst nicht genau. Aber in diesen Punkten habe ich  einen Zugang zu der Erzählerin gefunden und Momente des Verstehens erlebt.

Gegen Ende, wenn die einsiedlerische Wunderheilerin ins Spiel kommt, wurde mir die Geschichte zu abgedreht. Vermisst habe ich auch einen Antwortbrief der Ehefrau des Verstorbenen, eine Art Widerhall oder Erkenntnis. Gelesen habe ich dieses sprachsichere ungewöhnliche Buch trotzdem gerne. Manchmal genügt es, sich einlassen zu können und sich mitnehmen zu lassen.

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Bleib von Adeline Dieudonné
Original: Reste
Übersetzung: Sina de Malafosse
Hardcover: 256 Seiten
ISBN: 978-3423283946
Verlag: dtv

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